Raus aus der Schleife und ab nach Steampunk-Japan
Fast jedes Jahr gelingt es uns auf der Gamescom Indies zu finden, die mit starker Story fesseln. Dieses Mal entdeckt wir zwei solche Kandidaten bei noch kleinen Publisher und Spezialist für CRPGs Owlcat Games.
Rue Valley
Dass Rollenspiel-Hit Disco Elysium nachhaltigen Eindruck bei narrativen Indie-Titeln der letzten Jahre gehabt hat, dürfte selbst bei den Letzten angekommen sein. Während auf der Gamescom auch dessen Entwickler ihr nächstes Werk anteasern, kann man sich aber schon in den nächsten Monaten mit einem ähnlichen Titel, der klar davon inspiriert wurde, noch tiefer in die mentalen Schwierigkeiten eines Time-Loop-Adventures begeben.
Nicht ganz unähnlich zum kurzen Kritikerliebling 12 Minutes hat man bei Rue Valley auch nur 47 Minuten, die man in dieser Zeitschleife verbringt. Ziel ist es ganz klar, aus dieser auszubrechen. Das ist je doch gar nicht so einfach, wie es klingt. Denn es handelt sich nicht um ein normales Adventure mit einem klar vorgegebenen Helden, sondern man bekommt einen sehr zweifelnden blockierten Antihelden, den man entsprechend seiner Charakterwerte zwar anpassen kann. Bei dieser Charakterauswahl geht es aber nicht nur in eine positive Richtung, sondern jede Auswahl hat auch eine Auswirkung in Gegenrichtung. Das heißt, wer zum Beispiel sehr redegewandt ist, kann diese vielleicht bei Gesprächen mit schüchternen Charakteren überwältigen und bestimmte Gesprächsoptionen ausschließen. Was besonders spannend ist, dass man mehrere Loops spielen muss und sich über diesen Weg ähnlich wie bei Groundhound Day bestimmte Sachen merken kann oder Hinweise mitnimmt. Der Hauptcharakter Mr. Harrow entwickelt sich auch selbst von der initialen Charakterkonstitution langsam weiter, um aus einer phlegmatischen Ausgangsposition zu einem Charakter zu werden der letztlich doch Motivation und Fähigkeiten aufbringt das Mysterium hinter der Schleife zu lösen. So ist es beispielhaft ganz trivial möglich, dass man bei einem verschlossenen Haus dann gelernt hat, wo die Hintertür ist oder welches Schloss besonders einfach zu knacken ist, welche Charaktere einen eher aufhalten und welche Charaktere einen schnell weiterbringen. Oder man gewinnt einfach eine gewisse Art an Charakterpunkten, die einen grundsätzlich helfen Gegebenheiten schneller zu erfassen. Das alles wird im Hintergrund auf einer recht großen Mindmap-ähnlichen Tapete und Logbuch gespeichert, so dass man auf die Hinweise weiter und ständig Zugriff hat.
Inhaltlich ist es wirklich toll, dass sich hier die Entwickler wie kaum jemand zuvor Gedanken gemacht haben, wie man mit einer beeinträchtigten Psyche umgehen kann und sich durch Erfahrung oder das Ausspielen verschiedener Charakterdispositionen selbst weiterentwickeln kann. Um neben einer Therapie, die Harrow auch hat, sich zu einem mehr funktionellen Menschen zu entwickeln. Selten habe ich ein Spiel gesehen, wo die eigene problematische Psychologie damit so tiefsinnig in Geschichte und Spielmechanik übertragen wurden.
Als ob dieser storybasierte Anreiz nicht ja nicht ein nicht schon Anreiz genug wären, um sich einmal Rue Valley genauer anzuschauen, so kommt es auch mit einer wirklich herausragenden, von Hand gezeichneten hervorragenden Grafik daher. hat man sich hier sehr klar an den Amazing-Spider-Man Animationsfilmen orientiert und diesen Comicstil als Grafik sehr schön getroffen. Das Ganze wirkt sehr modern und ist attraktiv, relativ bunt und macht sich gelegentlich tatsächlich auch von einer Panel-Ansicht Nutzen, in der bestimmte Abläufe dargestellt werden.
Rue Valley war für uns auf der Gamescom eine wirklich tolle Entdeckung und zeigt, dass Entwickler wie Owlcat Games sich sehr, sehr viel Mühe geben viel Geschichte in ihre umfangsbeschränkten Spiele zu stecken. Geschichten, die konzentrierter, vielleicht aber auch spannender und damit besser zu verarbeiten sind, als manche der langen großen epischen Triple-AAAs. Für Spieler, die sich für starke Hauptcharaktere, viele Lösungsmöglichkeiten, psychologische Hintergründe interessieren und Adventure suchen, das ihnen nach Disco Elysium einen ähnlichen Kick gibt, sollte Rue Valley die richtige Wahl sein.
Wir werden uns den Titel definitiv sehr schnell genau ansehen, wenn Rue Valley am 11. November 2025 auf PC via Steam, Xbox Series X|S, PlayStation 5 und Nintendo Switch rauskommt.
Rue Valley Erscheinungdatum-Trailer
Shadow of the Road
Der zweite Owlcat-Titel Shadow of the Road baut auf die Faszination des Japans vor einigen hundert Jahren, wie zuletzt andere große Titeln wie Ghost of Yoteī und Assassin's Creed Shadows. Dass die Thematik von Schwertern, Ehre, Mystik und Natur aber auch für etwas kleinere Titel mit dennoch nicht weniger Tiefe in ganz anderes Genre etwas taugt, zeigt sich bei Shadow of the Road.
Entwickler Another Angle Games hat sich das spannende Szenario genommen und nutzt es für eine Mischung aus RPG und Taktik-Strategiespiel. Also hat man wie bei XCOM eine ausgefeilte Truppe, nur hier hauptsächlich aus freien Samurai und Ronin und ihren Gefährten, die durch die Lande ziehen und sich in Kämpfen und strategischen Missionen mit ihren Gegnern sowie der Gewalt der Natur auseinandersetzen müssen. Die Hintergründe gehen aber noch deutlich weiter, da es zu einer Zeit spielt, in der in Japan sehr große soziologische Umbrüche passierten, vor allen Dingen durch die technischen Neuerungen, die die ausländischen Besatzer aus dem Britischen Empire ins Land brachten. In der Welt von Shadow of the Road wird es aber noch fantastisch überspitzt, in dem die neue Technologie zu einer Steampunk-Variante weitergesponnen wird, so dass man sich auf dem Schlachtfeld auch mit mechanischen Großkampfroboter anlegen muss. Genauso gibt es aber auch eine Fraktion der Naturgeister, die Yokai, die sich einem in den Weg stellen.
Das taktischen Gameplay des Spiels sind auch innerhalb des Taktik-Genres sehr detailliert ausgefeilt. Es bleibt nicht bei Standard-Mechaniken wie Deckung und Aktionspunkten, sondern man muss auch in der zeitlichen Dimension die Abschnitte der Züge planen und steuern. Dargestellt es durch eine Zeitleiste am oberen Bildschirmrand, die ein sehr wichtiges Gameplay-Element ist. So ergibt sich ein komplexes Feld an Möglichkeiten, mit denen man zusammen mit den abwechslungsreichen Charakteren und deren speziellen Fähigkeiten spannende Lösung für die Kampfsituationen finden kann.
Überhaupt sind auch die Charaktere sehr komplex gezeichnet und haben eine spannende Hintergrundgeschichte, die man durch das Spiel verfolgt. Die beiden Hauptcharaktere Satoru und Akira sind Kampfesbrüder, die nur mit sehr unterschiedlichen Methodiken vorgehen. Satoru ist ein gefallener Samurai, der immer noch auf seine Ehre baut, während sein Kompagnon Akira eher die hinterhältigen Methoden der Ronin bevorzugt. Darüber hinaus gibt es auch noch speziellere Charaktere, wie die Mutter des einen, die eine ganz spezielle Beziehung zu ihrem Sohn unterhält, aber auch im Kampf besondere Fähigkeiten wie Verzauberung und Täuschung mit sich bringt.
Als Einzelelemente hat man sowas zwar vielleicht schon mal in andere Taktikspielen, wie zum Beispiel Desperados gesehen. In ihrer Ballung sind sie hier aber doch eine komplexe, spannende Mischung, die dieses Taktik-Spiel vielleicht zu einem Kleinöd in dem Subgenre werden lassen können. Auch wenn der Titel vielleicht etwas Vorerfahrung abverlangt, sind doch alle für die alternative Geschichte eines Japans im Umbruch interessieren, in diesem Titel doch sehr gut aufgehoben.
Wir halten auf jeden Fall weiter ein Auge drauf wie sich der Titel zum noch unbekannten Release entwickelt. Eine Demo könnt ihr aber auf Steam schon jetzt ausprobieren.
Open Alpha Trailer | Shadow of the Road-Trailer