GC25: The Blood of Dawnwalker - Von der Dualität des Vampirismus - pixelmonsters.de

GC25: The Blood of Dawnwalker - Von der Dualität des Vampirismus

von MartinTschitschke,

Wir brauchen mehr Monsterjäger aus Osteuropa!

Dass das Schaffen von CD Projekt Red über die Jahre unübersehbar Nachwirkungen und Spuren in der Landschaft der mitteleuropäischen Spiele-Entwicklungslandschaft hinterlassen hat, dürfte inzwischen offensichtlich geworden sein. Bisher gab es jedoch noch kaum vergleichbare Studios und Titel, die sich mit ähnlichen Ambitionen in die Entwicklung getraut haben. Mit dem Spin-Off-Studio Rebel Wolves dürfte sich das nun endgültig ändern.

The Blood of Dawn Walker, welches sie dieses Jahr ausgiebig und detailliert mit ganz viel Gameplay präsentieren, schickt sich an, einen großen Eindruck im RPG-Genre zu hinterlassen. Dass das Studio nicht nur aus alten Witcher-Machern besteht, sondern sich stark von deren Ambitionen und Gameplay-Mantras beeinflussen lassen hat, zeigt sich bis ins letzte Detail inklusive der Art, wie uns der Titel auf der Gamescom präsentiert wurde. In einem aufwändig aufgebauten Kathedralen-Demoraum saßen wir auf Kirchenbänken in einer vorgespielten Gameplay Präsentation, die so hochwertig produziert war, dass wir direkt wohlige Erinnerungen an alter CD-Projekt-Präsentationen hervorriefen.
Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich den Mut als mittelgroßes polnisches Studio so eine Monsterproduktion abzuliefern erstmal sehr überraschend fand und bis dahin abgesehen vom Trailer auch noch nicht viel von The Blood of Dawnwalker auf dem Schirm hatte. Aber nachdem ich nun das längere Gameplay auf der Gamescom selbst sehen konnte, glaube ich doch, dass wir es vielleicht mit einer ebenbürtigen Konkurrenz zu den Fantasy-Titeln eines Witchers zu tun bekommen werden. Möglicherweise kann der Titel langfristig vielleicht nicht ganz die wahnsinnige Größe eines The Witcher 3 auffahren, aber das finde ich eigentlich gar nicht so schlimm, denn dafür wurden hier jede Menge andere geniale Ideen eingebaut.

Aber zum Inhalt: Habt ihr euch schon mal gefragt, warum es eigentlich so wenige gute Titel fundamental mit der Thematik des Vampirismus gibt?
Vielleicht ist dieser Zustand doch schwieriger zu erzählen, als manche Standard-RPGs es wahrhaben wollen. Rebel Wolves probieren sich dennoch neu daran. In der Prämisse des Spiels und in seinem fetten ersten Trailer erfahren wir vom Hauptprotagonisten Cohen wie ein lokaler Vampirfürst mit großem Machthunger sich seiner Familie bemächtigt und ihn in einer Attacke angreift und durch deren Folgen er wird zum sogenannten Dawnwalker: das sind Wesen, die weder ganz Mensch noch ganz Vampire sind.
Cohen bekommt noch eine 30-tägige Frist um seine Familie zu retten. Mit seinen neuen Fähigkeiten, die er durch den Vampirismus hat, erhält er nun aber auch ganz viele Möglichkeiten und Optionen, wie er dieses zentrale Ziel angehen kann. Die Entwickler nennen das einen dualen Gameplay-Loop.

Die Demo teilte sich in zwei Abschnitte: im ersten konnten wir diverse Herangehensweisen in menschlicher Form ausnutzen, im zweiten wurden sich vampirische Vorgehensweisen zu nutzen gemacht, um weitere Aspekte der Mission zu bewältigen. Dieser Dualismus spiegelt das Kern-Gameplay von The Blood of Dawnwalker wider. Tatsächlich kann man zwar auch nur eine Variante spielen. Damit benachteiligt man sich allerdings stark selbst. Um dem Zeitdruck dieser Frist der Rettung gerecht zu werden, sollte man sich alle Möglichkeiten seiner dualen Gestalt zunutze machen. Das heißt, tagsüber kann man einfach mit dem Menschen agieren, diverse Sachen auskundschaften, mit Logik und Rationalität vorgehen, aber auch manche klassische Schwertkämpfe im Mittelalter-Stil eines Kingdom Comes bestreiten.

Trailer

Während der Nacht dann allerdings kommen die vampirischen Aspekte und Kräfte von Cohen zum Tragen. Er kann nun zwar wesentlich stärker in den Nahkampf gehen, an Wänden hochlaufen, Kurzstreckenteleportation anwenden und diverse andere vampirische Magiekräfte. Allerdings darf er sich dabei auch nicht entdecken lassen, denn die Menschen mögen es nicht, wenn sie von Vampiren unterwandert werden. Tatsächlich spiegelt das auch den größeren politisch interessanten Hintergrund der Spielegeschichte wider, dass die Vampire in diesem Landstrich wirklich sehr mächtig sind und sie diesen quasi besetzt halten. Und somit eine bedrückende Atmosphäre entsteht.
Aber auch Cohen ist als Halbvampir nicht von seinem unstillbaren Blutdurst befreit: er kann sich zwar auch von Tieren ernähren, das hat aber Auswirkungen auf seine Fähigkeiten und Kräfte. Immer wieder muss er sich an unbeteiligten Menschen laben, um zu seinem vollen Potential zu kommen. Hierbei durften einige moralische Entscheidungen eine Rolle spielen bzw. ist es auch möglich, dass man aus Versehen quest-wichtige Leute aussaugt.
Zusammen mit den politischen, moralischen Erzählweisen, wie man sie auch von CD Projekt kennt, tiefe Quests mit sehr vielen optionalen Herangehensweisen der Kombination der Missionsaspekte sowohl auf vampirischer Seite und auf menschlicher Seite und einem ausgefeilten Kampfsystem und einem spannenden, wenn auch teils noch etwas steif animierten Dialogen zeigt sich hier schon eine tolle Mischung.

Relevant ist auch der Einsatz dieser 30-Tage-Frist für die Rettung der Familie. Nicht alles, was Cohen tut, verbraucht Echtzeit von dieser Frist. So kann er immer wieder entscheiden, wie er an gewissen Punkten die Währung Zeit einsetzt. Um entweder tiefer voranzukommen oder gegebenenfalls auch seine Frist leichtfertig zu verschwenden. Auch ist das Spiel nicht vorbei, wenn die Frist verstrichen ist, auch wenn wir noch nicht wissen, was dann passieren würde.
Noch zum Kampfsystem: als Mensch kann man hier ein ausgefeiltes detailliertes Blocken anwenden oder man verlässt sich auf den weniger effektiven Omniblock, der aber deutlich einfacher und zugänglicher ist. Als Vampir kann man aber auch gewisse Magie-Fähigkeiten wie Teleportation oder Bluteffekte einsetzen. In jedem Fall sind beide Varianten sehr eingänglich, spannend und herausfordernd inszeniert und auch sehr blutig dargestellt, so dass man direkt Lust bekam, sich ins Getümmel zu stürzen.
Was mich in typischer polnischer RPG-Manier auch unheimlich beeindruckt hatte, war das sehr umfangreiche und detaillierte Level-Design. War man erstmal in der Hauptkathedrale der Stadt drin, so gab es nicht nur verschiedene Bereiche mit Katakomben, Bibliothek und so weiter, man konnte man sich auch in vielen Ecken mit der Umgebung beschäftigen. So erhält man mehr Hintergründe über die Lore und kann mehr über die Geschichte zu erfahren. Eine Welt, in der man sich wirklich intensiv verlieren konnte.

Wenn man beim Trailer vielleicht auch erst denkt hat, dass das hier ein generischer Action-Titel mit austauschbarem Hauptcharakter ist, so hat sich doch nach der Deep-dive-Gameplay-Demo herausgestellt, dass hier wahrscheinlich das nächste große Fantasy-RPG neben The Witcher 4 lauert.
Und wenn man der Vampir-Thematik nicht ganz abgeneigt ist, dann ist dieser Titel quasi ein Muss, weil diverse andere Vampir-RPGs an vielen Punkten aktuell am Thema scheitern. Aber bei unseren polnischen Nachbarn sollte das nicht passieren. Unserem Anschein nach, nach dem was sie hier gezeigt haben, ist schon so ausgefeilt und poliert, dass man nur in Ehrfurcht auf das Release im nächsten Jahr warten kann. Natürlich braucht es dafür auch die letzte Konsolengeneration. Als Fan der Vampir-Thematik ist nach dieser Demo jedenfalls The Blood of the Dawnwalker für uns ein Pflichttitel geworden.