Gran Torino: Der ewige Veteran - pixelmonsters.de
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Gran Torino

von Olaf,

Clint Eastwood gelang mit seinem Film “Gran Torino” ein großer Wurf. Als Regisseur und Hauptdarsteller brilliert der Altmeister mit einer Geschichte über den alltäglichen Rassismus, kaputte Familien und Zivilcourage. Darüber hinaus zeigt er, dass nichts von Dauer ist und vergangene Taten im Laufe der Zeit verblassen und unbedeutend werden. Der Ford „Gran Torino“ bildet den Erzählrahmen und das Symbol einer äußerst komplexen und emotionalen Geschichte, die sich ganz nebenbei mit dem Niedergang der amerikanischen Autoindustrie (als Synonym für die amerikanische Gesamtwirtschaft) beschäftigt.

Walt Kowalski (Clint Eastwood), polnischstämmiger Koreakriegveteran, lebt in einem Detroiter Vorort. Der Niedergang der amerikanischen Autoindustrie machte sich hier stark bemerkbar. Viele Nachbarn, Freunde und Kollegen sind bereits weggezogen. So ist der pensionierte Ford-Mitarbeiter einer der wenigen übriggebliebenen im Viertel. Im Laufe der Zeit tauschte sich die „amerikanische“ Bevölkerung durch asiatische Zuwanderer aus. Kowalski, ein von Vorurteilen zerfressener Zyniker, sieht diese Entwicklung mit Unbehagen. Wie sehr er amerikanisch-patriotisch gestimmt ist verdeutlicht die Stars and Stripes Flagge vor seinem Haus und ein 1972er Ford „Gran Torino“ in seiner Garage. Nach dem Tod seiner Frau ist seine Hündin Daisy das einzige Lebewesen, dem der griesgrämige, vom Leben enttäuschte Mann noch Zuneigung schenkt. Während der Trauerzeremonie für seine Frau wird deutlich, dass er von seinen Söhnen und ihren Familien keinen Rückhalt erwarten kann. Sie nehmen ihn und seine Prinzipien nicht ernst und die Enkelkinder sind ihm gegenüber respektlos. Vor allem die Tochter ist ganz heiß auf den Ford. Einzig der Gemeindepfarrer Pater Janovich (Christopher Carley) zeigt Interesse an Kowalskis Seelenleben. Doch dieser weist ihn schroff zurück, da er sein Seelenheil nicht allein durch die Beichte finden kann. Man merkt Kowalski an, dass er mit der aktuellen politischen und gesellschaftlichen Situation zutiefst unzufrieden ist. Das steigert sich, als eine Familie aus dem Volk der Hmong, einem asiatischen Bergvolk, direkt neben ihm einzieht. Er macht von Anfang an deutlich, dass diese ihn in Ruhe lassen sollen („Runter von meinem Rasen!“) und schreckt vor offenem Rassismus nicht zurück. Für ihn sind diese Leute nur Krachmacher, die alles verdrecken und beschädigen.

Das Drama nimmt seinen Lauf als Gangmitglieder den introvertierten Nachbarsjungen Thao (Bee Vang) rekrutieren wollen. Sie drängen ihn den „Gran Torino“ aus Kowalskis Garage zu stehlen. Doch der ertappt ihn auf frischer Tat. Kurz danach vereitelt der alte Mann einen Übergriff der Gang auf Thao. Kowalski wird zum Held wider Willen. Denn die Nachbarn überschütten ihn mit Dankesgeschenken. Die Tochter des Hauses Sue (Ahney Her) lädt Kowalski auf eine Familienfeier ein. Plötzlich findet er sich in einer ganz neuen Welt wieder und lässt dabei kein Fettnäpfchen aus. Er sieht aber, dass es doch noch Familienzusammenhalt gibt und lernt langsam eine neue Kultur kennen. Sue sieht in Kowalski nicht den rassistischen Alten von Nebenan, ist sich aber über dessen Weltsicht durchaus bewusst. Langsam arbeitet sie sich durch seine harte Schale und entdeckt seinen weichen Kern. Thao soll für seinen Diebstahlversuch die Familienehre wieder herstellen, in dem er für Kowalski arbeitet. Zunächst widerwillig lässt er sich darauf ein. Nach und nach entwickelt sich eine Freundschaft zwischen beiden. Kowalski entdeckt so etwas wie Vatergefühle und zeigt dem Jungen auf welche Werte es im Leben wirklich ankommt. Er vermittelt ihm Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit und Selbstvertrauen. Doch leider ist da noch die Gang, die alles zu zerstören droht. Nachdem Thao von ihnen misshandelt und Sue vergewaltigt wurde, sieht Kowalski rot und bereitet seine Waffen für einen Großangriff vor. Er beichtet bei dem um sein Seelenheil bemühten Pater Janovich (sehr skurrile Szene, die einen tiefen Einblick in Kowalskis Leben wirft) und schenkt Thao seine Tapferkeitsmedaille. Er ruft seinen Sohn Mitch an und merkt schnell, dass er ihm nichts zu sagen hat. Zu sehr hat sich seine Familie von ihm entfernt. In den Hmong hat er mittlerweile seine Ersatzfamilie gefunden. Der Film läuft auf einen Showdown vor dem Haus der Gang hinaus.

„Gran Torino“ ist einer jener Filme die einen Antihelden zeigen, der zunächst unsympathisch erscheint und am Ende alle überrascht. Der Film spricht verschiedene gesellschaftliche Facetten gleichzeitig an. So muss Familie nicht unbedingt die sein, mit der man verwandtschaftlich verbunden ist. Denn eine gleichgültige Familie ist letzten Endes nichts wert. Eastwood kritisiert den Verfall von Moral, Patriotismus und Familie. Darüber hinaus, und das ist die Grundkritik des Films, kritisiert er den Opportunismus innerhalb der Gesellschaft. Deutlich wird das an einer Szene, in der sich ein weißer Freund von Sue zwei schwarzen Ghettogangstern anbiedert. Ohne jegliche Selbstachtung kleidet er sich und redet wie die beiden Schwarzen im Ghettoslang, während die zwei Sue anmachen.

Sie selbst erwehrt sich den beiden mit harten Worten, während der Weiße fast zusammengeschlagen wird. Erst Kowalski kann Sue vor den Beiden retten, während ihr Freund flüchtet. Anstelle eines ängstlichen Opportunismus fordert Eastwood mehr Zivilcourage von der Gesellschaft. Allerdings muss man hier kritisch anmerken, dass Kowalski seine Zivilcourage letzten Endes auch nur durch Androhung von Waffengewalt durchsetzt. Der griesgrämige Alte bleibt sich selbst bis zum Schluss treu. Zunächst erscheint er als Rassist und Eigenbrötler. Doch bei genauerem Hinsehen ist er nicht weniger rassistisch, als die beiden Schwarzen, die Sue bedrängen. Hier wird die Frage aufgeworfen wer eigentlich als rassistisch beschimpft werden darf, wenn er dieselbe Wortwahl benutzt. Insofern ist dieses Problem nicht nur eines der Weißen, sondern ein gesamtgesellschaftliches. Darüber hinaus erscheint es als Ironie, dass „echte“ Amerikaner Zuwanderer skeptisch beäugen. Immerhin gelten die USA offiziell als Einwanderungsland und bestehen letztendlich aus Einwandererfamilien. Eastwood gibt hier abermals den traumatisierten, vom Leben enttäuschten Kriegsveteran. Trotzdem schafft er es, seiner Figur Emotionalität zu verleihen, die den Zuschauer mitfiebern lässt. Der Film gewinnt zum Ende hin immer mehr an Tiefe und ist ein Abgesang auf die amerikanische Gesellschaft, die stets nur fordert und konsumiert ohne etwas zurückzugeben.

Gran Torino
Gran Torino

Produktion USA 2008
Laufzeit 116 Minuten
Kinostart 5. März 2009
Fazit von Olaf

„Gran Torino“ ist ein sehr emotionaler Film, der durch Eastwoods Vorstellung dominiert wird. Abermals spielt er den grimmigen Alten. Aus der anfänglichen Abneigung, die man ihm gegenüber hat, wird im Laufe des Films Sympathie. Man gewinnt den Alten sogar auf die ein oder andere Art lieb. Der Film ist eine Kritik an der amerikanischen Gesellschaft, in der Familie und gegenseitiger Respekt nichts mehr zählen. Er prangert darüber hinaus den alltäglichen Rassismus an. Erzählt wird aus der Sicht der Weißen. Dabei wird die Frage gestellt, ob political correctness nicht auch rassistisch ist. Denn wie soll man sich (als Weißer) „richtig“ gegenüber Zuwanderern verhalten? Die Rachegeschichte wirkt zwar etwas konstruiert, führt aber zum Showdown. Insofern sollte man ihr nicht soviel Bedeutung beimessen. Viel wichtiger erscheint die Botschaft im Subtext, mehr Zivilcourage zu zeigen und Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen. „Gran Torino“ ist ein sehr empfehlenswerter Film, in einer Reihe zu nennen mit L.A: Crash und American Beauty. Betrachtet man noch die Kürze der Produktionszeit, so ist der letzten Legende Clint Eastwood wirklich noch ein großer Wurf gelungen. Vielleicht war dies sogar sein letzter Film.

9
/ 10