Inglourious Basterds: Es war einmal... - pixelmonsters.de
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Inglourious Basterds

von Olaf,

... ein Märchenfilm der sich mit der deutschen Geschichte einmal anders auseinander setzte. So kam ein Kultregisseur namens Quentin Tarantino mit einer Riege von Filmstars im Gepäck nach Deutschland, um neue Maßstäbe in punkto Vergangenheitsbewältigung zu setzen. Die Schablone für diesen Film bot Enzo G. Castellaris „Inglorious Bastards“ bzw. „Ein Haufen verwegener Hunde“ aus dem Jahr 1978. Im Stil der Italo-Western diente der 2. Weltkrieg als historischer Rahmen für eine abenteuerliche Ballerorgie einer kleinen Gruppe von Antihelden. Tarantino nutzte ebenfalls den 2. Weltkrieg als Vehikel für seine Geschichte.

Eingeteilt in fünf Kapitel beginnt der Film im besetzten Frankreich des Jahres 1941. Die Anfangssequenz erinnert stark an Sergio Leones „Spiel mir das Lied vom Tod“ und setzt hohe Maßstäbe. Die Unterhaltung zwischen SS-Standartenführer Hans Landa, Spitzname: „Judenjäger“ (überragend: Christoph Waltz) und Perrier LaPadite (ebenfalls überragend:  Denis Menochet) wird zu einem Psychospiel par Excellance. In nahezu perfektem Französisch lobt Hans Landa sein Gegenüber zu seiner netten Familie und seinen netten Kühen. Der Spannungsbogen wird zum Zerreißen gespannt. Plötzlich wechselt Landa ins Deutsche und kommt zum Punkt. Er befragt Perrier LaPadite nach flüchtigen Juden. Immer enger kreist Landa sein Gegenüber ein, der dem Druck immer weniger standhalten kann. Denn im Keller seines Hauses hält er Juden versteckt (Landa weiß das bereits und spielt Katz und Maus). Unter ihnen Shosanna Dreyfus (Mélanie Laurent) die ihre späte Rache noch bekommen soll. Der Sprache wird eine große Bedeutung zugesprochen. Französisch als zuvorkommende, freundliche Sprache und Deutsch als technokratische, planende Sprache. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die jeweils angepassten Handlungen der Protagonisten. Während beide rauchen und Milch trinken spricht Landa französisch. Das ändert sich, als es zum „Arbeitsthema“ kommt und Landa sein Gegenüber zu den Flüchtigen befragt. Mit deutscher Gründlichkeit hakt er einen Namen nach dem Anderen auf seiner Liste ab. Während des Gesprächs rezitiert Landa fast beiläufig den NS-Propagandafilm „Der ewige Jude“ indem er von Ratten spricht. Die Bilder, die er dabei verwendet kommen fast eins zu eins in selbigem Machwerk vor.

Eli Roth und Brad Pitt bei dem was sie am Besten können. Nazis killen.

Die Einführung der „Basterds“ im zweiten Kapitel erinnert an amerikanische Armeefilme. Der von den Indianern abstammende Aldo Raine (Brad Pitt) macht deutlich, dass für ihn nur tote Nazis gute Nazis sind. Seine Truppe soll Angst und Schrecken hinter den deutschen Linien verbreiten. Aldo Raine verhört einen Feldwebel der nicht sprechen will und droht mit dem „Bärenjuden“ aka. Donnie Donnowitz (Eli Roth). Während der Soldat kniet und der Zuschauer ihm direkt in die blauen Augen sieht, hört man ein schlagendes Geräusch aus einem Tunnel kommen. In Erwartung einer Gräueltat tritt der „Bärenjude“ mit einem Baseballschläger aus dem Dunkel. Er wirkt deutlich harmloser als es der Beginn dieser Sequenz vermuten ließ, insofern wirkt die Figur sehr verloren und profillos. Roth versucht zwar durch übertriebene Aggressivität zu punkten, doch verkommt sein Auftritt eher zu einer Slapsticknummer. Seltsamerweise, vielleicht geht es nur deutschen Zuschauern so, bekommt man Mitleid mit diesem Soldaten, denn man weiß dass etwas Schreckliches passieren wird. Seine stahlblauen Augen brennen sich in den Kopf des Zuschauers. Die „Basterds“ brandmarken überlebende Soldaten mit einem Hakenkreuz auf der Stirn. Dieses Bild übernahm Tarantino aus zeitgenössischen Wochenschauen. So werden reale Racheaktionen für diese fiktive Geschichte instrumentalisiert ohne diese zu kontextualisieren. Die „Basterds“ sind keine Sympathieträger. Es wird keine emotionale Bindung aufgebaut.

Das dritte Kapitel führt den Kriegshelden Frederick Zoller, gut besetzt mit Daniel Brühl, ein. Es ist das Jahr 1944 in Paris. Er hat ein Auge auf die Kinobesitzerin Emmanuelle Mimieux aka Shosanna Dreyfus geworfen. Diese lässt ihn allerdings abblitzen. Der Zufall will es, dass sich beide in einem Café wiedersehen. Shosanna erfährt erst jetzt das Zoller ein Held ist. Bei einer Besprechung schlägt er Goebbels (Sylvester Groth) vor, in ihrem Kino den Film „Stolz der Nation“ zu zeigen. Sie sieht in der Filmvorführung ihre Chance, Rache an den Nazis zu nehmen. Im Café trifft Shosanna auf Hans Landa, der sie einer Sicherheitsprüfung unterzieht. Großartig, wie Christoph Waltz seinen Apfelstrudel isst und erneut Katz und Maus spielt.

Inglourious Basterds Trailer

Die letzten zwei Kapitel bereiten den Showdown im Kino vor. Hier wird Tarantinos Liebe zum Kino deutlich. Denn diese zwei Passagen sind angefüllt von Intertextualitäten und Hommagen ans Kino. Sein Ausflug in die deutsche Filmgeschichte ist sicherlich auch für den deutschen Zuschauer interessant. So verbindet er z.B. Leni Riefenstahl als Schauspielerin mit dem Film „Die weiße Hölle des Piz Palü“ von G.W. Pabst. Man kann annehmen dass kaum jemand in Deutschland weiß, dass Riefenstahl vor ihrer Karriere als Regisseurin eine recht gute Schauspielerin war. Eingeleitet wird der Schlussteil durch ein konspiratives Treffen der „Basterds“ mit Bridget von Hammersmark (selbstironisch: Diane Krueger) in einer Kellerbar. Ein großartiger August Diehl in der Rolle des SS-Sturmbannführers Dieter Hellstrom lässt die „Basterds“ auffliegen und es gibt ein Blutbad ganz im Tarantino-Stil. Alles läuft auf den Showdown im Kino hinaus.

Es ist schwer zu sagen, was man mit dem Film anfangen soll. Tarantino brilliert hier wieder mit seinem dichten Filmwissen, was sich an den Namen und Filmhinweisen wiederspiegelt. Er lebt Kino. Auf der visuellen Ebene holt der Oscar-prämierte Kameramann Robert Richardson, der bereits mit Oliver Stone drehte, das Maximale heraus. Tolle Bilder, passend zu den jeweiligen Situationen. Das es sein Meisterstück ist, wie er am Ende des Films konstatiert, kann man bezweifeln. Die Musik, die bislang alle Tarantino-Filme dominierte, ist der Schwachpunkt des Films. Den hohen stilistischen Level der Anfangssequenz hält Tarantino über den Film hinweg nicht durch. Das Psychospiel zwischen Christoph Waltz und Denis Menochet, in dem beide Schauspieler auf Augenhöhe agieren, ist ein vorweggenommener Höhepunkt. Man kann Menochet fast sekündlich folgen, wie ihm mehr und mehr der Boden unter den Füssen weggezogen wird, bis er unter Tränen gesteht. Christoph Waltz, der sich in den meisten Kritiken vor Lob kaum retten kann, dominiert den Film. August Diehl gibt eine hervorragende Vorstellung als SS-Offizier ab. Und nicht zu vergessen Christian Berkel als Eric, der in derselben Szene mit einem spielerischen Minimalismus als Barbesitzer eben diese Szene zu einer der Besten im ganzen Film macht. Til Schweigers Rolle ist ihm auf den Leib geschnitten, denn er braucht kaum etwas sagen. Brad Pitt als tumber Hinterwäldler hätte auch ein Anderer spielen können. Eli Roth und Omar Doom wirken wie Marionetten. Mélanie Laurent versprüht einen spröden Charme. Ihr Hass und ihre Rachegelüste wirken allerdings sehr konstruiert. Hier bekommt man eher das Gefühl, dass der Film mit großen Namen Geld einspielen und USA-tauglich sein sollte.

Quentin Tarantino am Set von Inglourious Basterds

Es handelt sich um eine Rachegeschichte, die sich auf dem Vehikel der Nazizeit etabliert. Hätte ein deutscher Regisseur einen solchen Film gedreht wäre er sicherlich zerrissen worden. So kommt ein amerikanischer Kultregisseur und legt mit schnörkellosem Morden Balsam auf die deutsche Seele. Denn wer freut sich nicht, wenn Hitler und Goebbels ermordet werden und die gesamte Naziführung verbrennt. Dennoch bleibt, vielleicht nur für den deutschen Zuschauer, ein fader Nachgeschmack. Dem deutschen Zuschauer bleibt der latente Vorwurf hängen: “Ja, auch Dein Großvater, der in der Wehrmacht war, war ein Nazi! Und es war legitim diesen zu töten!“ Man sollte durchaus hinterfragen, ob es ethisch legitim ist, pauschal alle Deutschen (in Uniform) töten zu dürfen, denn letztendlich sind gesellschaftliche Strukturen weitaus komplexer als Tarantino sie in seinen vereinfachenden Darstellungen zeigt. Die deutsche Gesellschaft war während des Krieges durchaus eine differenzierte, andernfalls wäre Goebbels´ Propaganda nicht nötig gewesen. Tarantino trennt nicht zwischen Wehrmacht und Parteiorganisationen. Für ihn sind alle Deutschen aus der Zeit Nazis.

Inglourious Basterds


Produktion USA 2009
Laufzeit 153 Minuten
Kinostart 20. August 2009
Fazit von Olaf

Alles in allem ist „Inglourious Basterds“ ein handwerklich gut gemachter Film, dem man zum Ende hin die Eile der Produktion anmerkt. Immerhin wollte Tarantino den Film in Cannes vorstellen, was er dann auch tat. Wer allerdings Metzelorgien á la Kill Bill erwartet wird enttäuscht. Der Film ist extrem dialoglastig. Und eines kann man Quentin Tarantino bescheinigen: Dialoge schreiben kann er!

8
/ 10