Es ist Montag, der 2. Januar 2012, die Weihnachtsfeiertage sind mittlerweile verjährt und ein paar Menschen schlafen sich wohl immer noch ihren Neujahrsrausch aus. Zu meiner Überraschung fand ich zwischen den Feiertagen einen netten kleinen Brief vom Zollamt Schöneberg...
Ich hatte mir vor gut 4 Wochen das Action-Adventure “Uncharted 3” für meine PlayStation 3 beim Versandhandel Zavvi bestellt. Das musste es also sein: ‚Endlich kann ich mich zum ersten Mal mit Nathan Drake ins Abenteuer stürzen.‘ Cool, dachte ich mir. Bei Zavvi konnte ich mir das Adventure für gut 30 Euro holen. Ein klares Schnäppchen für den Preis.
Fix druckte ich mir meine Bestellung und die Rechnung aus und machte mich auf den Weg zum Zollamt um mein Paket abzuholen. Mir schwebte schon Schlimmes vor als ich im strömenden Regen das Haus verließ und ich mich auf dem Weg machte.
Es ist 11:30 Uhr und ich komme im reichlich überfüllten Amt in Schöneberg an. Innerlich sagte ich mir... ‚Hui, dreh doch lieber um! Das dauert doch eine halbe Ewigkeit.‘ Ich entschied mich dann doch in Vorfreude auf Uncharted 3 mich in der langen Warteschlange einzureihen. Das letzte Mal hat es ja auch nicht so lange gedauert, dachte ich mir.
Die Szenerie ist die eines typisch deutschen Amtes. Der grell leuchtende Schein der Neonlampen flutet den Raum mit sterilem Licht. Die Warteschlange ist so lang, dass sie bis nach draußen in den strömenden Regen reicht. Vor mir befinden sich gut 20 Leute. Das sind bestimmt die Neujahrsgeschenke, die immer noch beim Zoll liegen sagte ich mir und stand erst einmal eine halbe Stunde an, bis ich mich endlich anmelden konnte.
Anmelden heißt in meinem Fall soviel, dass hier der Paketinhalt bestimmt wird. Der Abholer muss ja wissen was ihn erwartet. Im besten Fall hat man auch gleich noch die Rechnung mit dabei. Der Wert muss bestimmt werden, damit der deutsche Staat seine fantastischen 19 Prozent Steuern draufschlagen kann. Vorbereitet wie ich war, dauerte der ganze Anmeldeprozess eine gute Minute. Ich drückte dem Mann am Schalter meine Rechnung und meinen Abholschein in die Hand und er murmelte sowas von: “Da werden noch 19 Prozent draufgeschlagen. Wenn Sie möchten, dann schicken wir Ihnen das Paket auch wieder nach Hause. Das würde dann aber gut 2 bis 3 Wochen dauern.”
Kurz überlegte ich … “Hmmm, neee passt schon!”, sagte ich ihm voller Hoffnung.
Die erste Hürde wäre dann also geschafft. Der Bearbeiter gab mir die Nummer 107. Sieht doch gut aus, dachte ich mir, bis ich auf die Anzeigetafel sah und ich Nummern 61, 63, 85 und 90 angeschlagen waren. Wird dann wohl noch eine halbe Stunde dauern und so wie es auf den ersten Blick ausschaut arbeiten die hier nicht wirklich nach System.
Anschließend setzte ich mich in einen Raum, der ungefähr 40 Sitzplätze stellte. Als ich in die Runde blickte schauten die Menschen schon recht entnervt in die Leere und man sah den Leuten an, dass sie eigentlich gar nicht an diesem Ort sein wollten. Ich blickte auf die Uhr.
Es ist 12 Uhr
Ich sitze mitten im Raum. Neben mir ein Getränkeautomat an dem man sich Heißgetränke ziehen kann und vor mir habe ich Blick auf die Anmeldung. Hinter der Anmeldung an der Wand hängt ein Bild vom aktuellen Bundespräsidenten Christian Wulff. Neben dem Bild steht in gequetschten Buchstaben das Wort Anmeldung und ein Nummernautomat hängt an der Wand, der alle paar Minuten eine Nummer herauswirft. Alles sieht wie auf einem typischen Amt aus. Immer wieder blicke ich auf die Anzeigetafel auf der immer wieder ein kurzer Lichtblick zu sehen war. So zeigte die Tafel mit einem grellen Ton “Bzzzz” auch schon mal eine 103 an. Das Ziel ist also nah.
Die Minuten verrinnen langsam und ich habe die Gelegenheit mich genauer umzuschauen. Ein Blick auf die Warteschlange an der Anmeldung. Diese wird auch nicht mehr kürzer sondern immer länger. Ein Vater, der mit seinem kleinen Sohn spielt, unterhält die Sitzenden als ihm sein Sohn einen Becher Kakao über die Hosen kippt. Gut. Wieder ein paar Minuten totgeschlagen. Ich blicke auf meine Uhr.
Es ist 13 Uhr
Mittlerweile habe ich hier 1½ Stunden verbracht. Ich habe ja Urlaub. Also halb so schlimm. Für Nathan tut man ja Einiges. Ich habe gehört Teil 3 soll wieder umwerfend sein. In Gedanken spiele ich das Spiel schon durch. Hier im Amt ist es jedenfalls genauso trocken wie in der Wüste.
Eine Mutter mit ihrem Kind im Arm fragt an der Anmeldung: “Wo ist denn die Toilette?” “Tja, da müssen sich einmal außen um das Gebäude rum.”, antwortet ihr die Dame an der Anmeldung. Hmm, dachte ich mir, würde ich jetzt aufs Klo gehen, dann verliere ich bestimmt meinen Platz und vielleicht wird auch meine Nummer angeschlagen. Die Mutter meinte nur trocken: “Die Wahrscheinlichkeit jetzt ranzukommen ist ja hier gleich null.”
Hinter mir nöhlen die Ersten rum und brappeln was von “Boar, dauert das hier wieder lange!” Irgendwie empfand ich es bemerkenswert wie entspannt die Kids hier doch alle sind. Von dieser Tiefenentspanntheit hätten sich einige Erwachsene mal eine Scheibe abschneiden können. Ich blicke auf die Uhr.
Es ist 14 Uhr
Nach gut 2 Stunden des Wartens werden die Menschen langsam immer grimmiger. Noch immer grinst mich der furchtbar photogeshopte Christian Wulff an. Er nervt! Naja, wohl nicht mehr lange, dachte ich mir. Mittlerweile sind es jetzt schon 2½ Stunden und noch immer ist kein Ende in Sicht. Es ist ein wenig komisch, denn hinter mir sitzen noch Leute, die Nummern im Achtziger-Bereich haben und dann komm ich mit meiner Nummer 107... jetzt muss ich das ausstehen. Ich habe ja schon fast 3 Stunden ins Warten investiert. Seltsam ist nur, dass mittlerweile Leute in den Bereich der Paketannahme kommen, die eine Stunde später als ich an der Anmeldung waren. Es ist witzig zu sehen, wie diese Menschen zur Paketabholung gehen und mit entnervtem Blick und aufgerissenen Paketen geradlinig an mir vorbeirauschen. Ich schaue auf die Uhr.
Es ist 15 Uhr
Der Frust steigt und so langsam fühlte ich mich richtig verarscht. So zeigt die Anzeigentafel 150, 169, 180... WTF, dachte ich mir! Einige fragten schon behutsam an der Anmeldung nach und beschweren sich, da sie sich wohl ebenfalls verarscht fühlten.
Die Stimmung wird langsam immer aggressiver. Ein stämmiger Mann, der es wohl nicht gewohnt ist solange auf ein Paket zu warten, erhebt seine laute Stimme: ”Das muss in die Zeitung und das ist doch unmenschlich! Das letzte Mal, dass ich so lange auf etwas warten musste, war als ich mir meinen Reisepass in den Westen besorgt habe.” Stille.
Dann plötzlich Szenenapplaus: Nachdem die Anzeigentafel mittlerweile bei 180 war schaltet die Tafel wieder auf 80... Hää?!? Die wartenden Leute nehmen es mit Humor. Ich blicke auf die Uhr.
Es ist 15:30 Uhr
3½ Stunden grinst mir Christian Wulf schon ins Gesicht und ich dachte mir: ‚Es ist irgendwie schon suspekt, dass solch eine Persönlichkeit zu überaus günstigen Konditionen Kredite erhält und der mündige Bürger ganze 3 Stunden auf ein Paket waren muss. Hier stimmt doch etwas nicht?‘
Dann plötzlich... Bzzzzzzz... 107 zur Stelle 4. “Wow.” Meine Nummer wird nach etwas über 3½ Stunden endlich gezogen. Ich verlasse meinen Platz und gehe in einen riesigen Raum, in dem sechs Menschen arbeiten. Rechts neben mir sind zwei Kassen an denen man die Restsumme nachzahlen muss und links neben mir befinden sich drei abgetrennte Bereiche in denen die Abholer die Zollbeamten ins Paket schauen lassen müssen.
Ich sehe mein Paket. Es hat die Größe eines PS3-Spiels. Ich sagte schnell mit entnervter Stimme bevor die Zollbeamtin etwas sagen konnte... “Aufmachen?” Schnell reiße ich die Verpackung auf und hatte endlich mein Uncharted 3 in den Händen. In diesem Augenblick wollte ich intuitiv einfach wie auf der Post den Raum verlassen. Die Beamtin fragte nur … “Was is nen das?” “Das ist ein Videospiel für die PlayStation 3” antworte ich kurz. Das Game hat bei Zavvi 32 Euro mit Versand gekostet. Das sind 4 Euro über der Steuerfreigrenze. “Sie müssen also 19 Prozent Mehrwertsteuer drauf bezahlen und das macht dann um die 6 Euro und Sie müssen jetzt noch etwas warten bis Sie den Betrag an der Kasse zahlen können.”, sagte mir die Beamtin. Was für ein Scheiß. Ich machte mich also wieder auf den Weg in den Warteraum und dachte mir: ‚Das ist moderne Folter.‘
Eine weitere halbe Stunde später konnte ich endlich mein Paket bezahlen und machte mich auf den Weg nach Hause. Ich malte mir unterwegs aus, dass ich in den vier Stunden tausend andere sinnvolle Sachen hätte machen können. Ich fragte mich auch, ob der deutsche Staat davon ausgehen kann, dass der Abholer einen ganzen Tag lang Zeit dafür hat um beim Zoll auf sein Paket zu warten. Das System im Zollamt war in meinen Augen richtig schlecht und es kam der Schikane sehr nah. Hier wird einfach derjenige bestraft, der für sein Paket zahlen muss. Der ganze Prozess hat bei mir insgesamt gute fünf Minuten gedauert, in dem ganze vier Zollbeamte involviert waren! Ineffizienter geht es da wohl kaum noch. Danke, liebe deutsche Bürokratie.
Tja, beim nächsten Mal hole ich das Paket nicht mehr ab. Denn dann wird es nach zwei Wochen wieder an den Absender zurückgeschickt.
Und was lernen wir daraus? Macht lieber einen großen Umweg um das Zollamt und lasst am Besten eure Bestellung da. Wenn Ihr jedoch unbedingt zum Zoll müsst, geht möglichst früh dahin, nehmt Euch viel Zeit und vor allem ein paar Gadgets mit. So etwas wie das “Zollamt-Survival-Kit”. Hier mein Vorschlag:
- • diverse Handhelds wie z.B. ein Gameboy, 3DS, PSVita oder iPad
- • Laptop mit diversen, eher weniger gewaltverherrlichenden Filmen. Die machen einen sonst nur unnötig aggressiv. ;-)
- • einen Stapel Videogamemagazine
- • Smartphone
- • oder nen Pixelmonsters-Podcast
Oder macht es so wie ich und schreibt einen Artikel darüber, während Ihr wartet. So habt Ihr auch etwas davon. Also bis zum nächsten Mal auf dem Zollamt.