Filme wie 300 werden im Vorfeld schon ausgiebigst beworben und besprochen oder wie im speziellen Fall hier von vielen verwahrlosten Popcornkino- und Action-Junkies als die filmische Offenbarung des Jahres gehandelt. Aus diesem Grund ist es natürlich schwer eine solche Marke und ein so vom Marketing bestimmtes Produkt auf seine eigentliche Essenz konzentriert zu beschreiben. An dieser Stelle soll das dennoch versucht werden und 300 soll als Film wie jeder andere beschrieben und bewertet werden.
Die Comicverfilmung im aktuell beliebten Volldigital-Stil beginnt seine Erzählung weit in der europäischen Vergangenheit. Ca. 500 v. Chr. wird der Zuschauer durch ausufernde Off-Kommentare in die Kultur der Spartaner eingeführt. Hier werden Missgebildete schon als Säugling beseitigt und jeder Aspekt der spartanischen Gesellschaft ist danach ausgerichtet eine perfekte, gleichgeschaltete Kriegergesellschaft zu schaffen. Schon in diesen ersten Minuten hält sich der Film inhaltlich und bildlich streng an die Vorlage, und so wirkt diese Einführung dann auch eher befremdlich, besonders für demokratisch und humanistisch geschulte Westeuropäer und Amerikaner. Ansatzweise ist die gezeigte Kultur zwar mit der Klingonischen aus Star Trek vergleichbar, doch mangelnd es der Beschreibung an Zusammenhang und Tiefe. Nachdem man verstanden hat, wie junge Männer in ihre Aufgabe als Krieger eingeführt werden, beginnt die eigentliche Haupthandlung um die 480 v. Chr. stattgefundene Schlacht bei den Thermopylen. Der erste Schritt dazu ist der aus dem Trailer bekannte Besuch eines persischen Boten beim spartanischen König Leonidas I. Dieser bietet dem stolzen König an einem Konflikt aus dem Weg zu gehen, indem sich Sparta freiwillig dem Perserreich anschließt. Allerdings lässt der Bote dabei einiges an Höfflichkeit und Respekt vermissen und so landen er und seine Getreuen auch als Nächstes in der Fallgrube, auch um damit dem Perserkönig Xerxes eine deutliche Antwort zukommen zu lassen. Leonidas realisiert, dass ein Krieg unausweichlich ist und er sucht daraufhin die Hilfe und den Rat der Götter bzw. den ihrer fürchterlich hässlichen und gierigen Vertreter auf Erden. Da diese jedoch bereits von den Persern gekauft sind, lassen sie ihn abblitzen und er ist auf sich allein gestellt. Entgegen den Willen des Rates (einer Bürgervertretung ähnlichen Versammlung) ist er sich sicher, dass er die Krieger mobilisieren muss. In dieser Gewissheit stärkt ihn auch seine Frau, Königin Gorgo. So beschließt Leonidas wenigstens mit 300 Männern, die er als private „Leibgarde“ bezeichnet, die persische Armee von mehreren Hunderttausend Kriegern am Pass der Thermopylen aufzuhalten.
Dieser Pass stellt auf Grund seiner Enge von wenigen Metern zwar einen gewaltigen taktischen Vorteil dar, dennoch ist sich Leonidas in seinem Innersten wohl bereits hier darüber bewusst, dass seine Mission die eines Märtyrers ist und bestenfalls die Armeen der anderen griechischen Stadtstaaten wachrüttelt. Nach Ankunft am bevorzugten Schlachtfeld machen sich die 300 Spartaner und einige wenige Verbündete an die Vorbereitung der Verteidigung des Kliffs, an dem die Perser in Richtung des Pass hinauf müssen. Dabei können sie beobachten wie die Hunderte von Schiffen von König Xerxes trotz relevanter Verluste durch die raue See in Stärke eines Millionenheers anlanden. Nach einem ersten problemlosen Sieg gegen ein Regiment anstürmender Perser, kommt es zu einer Unterredung zwischen Leonidas und Xerxes. Dieser stellt sich als sehr großer, nahezu lächerlich geschmückter, feinsinniger Manipulator heraus, der sich obendrein für göttlich hält. Er bietet Leonidas erneut an die Angriffe einzustellen und ihn weiterhin zum Kriegsherrn von ganz Griechenland zu machen, falls Leonidas Xerxes als Herrscher anerkennt und vor ihm niederkniet. Natürlich ist der spartanische König nicht käuflich, steht zu seinen Idealen und will weiterkämpfen. Xerxes lässt in der Folge immer neue Wellen immer mächtigerer und abgedrehterer Gegner auf die Spartaner los. Dabei ist alles Denkbare an Kriegsgerät dabei, wie riesenhafte Monsterkrieger, Elefanten, Granaten und anderes. Letztlich steuert alles auf einen wenig aussichtreichen Kampf hin, denn die 300 Königstreuen deutlich dezimiert antreten. Diese Verluste entstanden aber letztlich nur durch den Verrat eines geächteten behinderten Spartaners, der nicht akzeptiert wurde, und den Spartaner gereicht ihr eigener strenger Codex der Kriegergesellschaft damit zu einem deutlichen Nachteil. Während der ganzen Zeit dieser Schlacht versucht Leonidas Königin Gorgo Nachschub aus der regulären Armee für die 300 zu organisieren. Dafür versucht sie den Rat zu überzeugen und muss einiges erdulden, um wichtige Fürsprecher zu gewinnen. Denn ihre Chancen den Rat zu überzeugen sind als Frau noch schlechter als die der 300 gegen das Xerxes-Heer.
Die Vorlage zu dieser eher simplen Story stammt aus einem 1998 erschienenen, gleichnamigen Comic-Band des gegenwärtig in Himmel gelobten Comic-Autor Frank Miller. Miller, der in der Tat sehr talentiert ist und mit Sin City insbesondere als Film ein echtes Meisterwerk abgeliefert hat, gestaltete den Comic damals als sehr bildgewaltiges Epos. Auf der anderen Seite ist das Buch dialog- und story-arm, was aber in einer solchen Parabel über Kriegergesellschaften als Comic-Umsetzung konsequent ist. Nun gibt es den Umstand, dass Autor Miller auf Grund schlechter Erfahrungen mit Hollywood bei den Verfilmungen seiner Bücher zuletzt nahezu 1:1-Umsetzungen von Story und Bilder fordert. Somit ist auch „300“ eine sehr dichte Umsetzung dieser Vorlage. Was aber bei „Sin City“ noch wunderbar funktionierte, führt bei diesem Film zu einigen Problemen: Die Erzählstrukturen wirken aufgesetzt, was nicht zuletzt daran liegt, dass sehr oft ein Off-Kommentar eingesetzt wird, der anstrengend pathetisch ist und erst ganz zum Schluss aufgelöst wird. Man hat durch die Art der Erzählung meist das Gefühl alles mit Abstand wie durch eine Glasscheibe zu betrachten. Als weiteres Problem der nahen Umsetzung sind die Rollen der Schauspieler relativ eindimensional angelegt und vermitteln wenig Hintergründe oder Motive. Und nicht zuletzt ist der Bezug zu den geschichtlichen Hintergründen bei „300“ als Film viel schneller gezogen als bei einem Comic, was die künstlerischen Standpunkte des Films in Frage stellen kann.
Schauspielerisch ist der Film eher Durchschnitt, was teilweise aber auch an den Rollen liegen dürfte. Gerald Butler spielt den Leonidas zwar nicht überragend, man sieht ihm aber an, dass er dennoch nahe an seine schauspielerischen Grenzen kommt. Zwischendurch lässt er aber recht schön leichte Anflüge von Wahnsinn durchscheinen, was Leonidas vor der totalen Eindimensionalität bewahrt. Etwas mehr Tiefe kann eigentlich nur David Wenham vermitteln, der schon in „Herr der Ringe“ überzeugte, als bedauernswerter Soldat, der seine Truppe verlassen muss. Selbst die von Lena Headey gespielte Königin Gorgo, die vom Skript her mehr Möglichkeiten hätte, bleibt eine flache Überzeugungstäterin. Auch wenn sie dabei verdammt sexy rüberkommt. Auf der Gegenseite hat der vom Brasilianer Rodrigo Santoro gespielte Gott-König Xerxes zwar eine seltsame Anziehungskraft, wird aber eher zu selten gezeigt. Eines muss man den Schauspielern der 300 Spartaner allerdings lassen: körperlich wurden sie in Höchstform gebracht, was auf jeden Fall Anerkennung verlangt. Obwohl man manchmal den Eindruck nicht loswird, dass selbst dabei mit Bildbearbeitung nachgeholfen wurde. Die dargestellten Stunts wirken ebenfalls sehr athletisch und man sieht dem Film an, dass viel von den Darstellern selbst ausgeführt wurde. Jedenfalls hat es wohl einige kleinere bleibende Schäden gegeben. Auf gleichem Niveau rangieren die wenigen Effekte des Films, die noch auf klassische Weise gestaltet wurden. Der Schweiß und das Blut der Körper kommen ebenso wie das Eisen der Waffen sehr deutlich rüber, auch wenn das Meiste dieser Elemente mit Computern bebildert wurde. Überhaupt bewegt sich die Ausstattung auf sehr hohem Niveau, auf wenn es nur darum geht einen spartanischen Eindruck zu machen. Was ja nicht viel mehr heißt, als dass man einfache Kleidung und Waffen umsetzt, diese aber sehr hochwertig und mit vielen Details hergestellt werden. Spartanisch sind dabei im Übrigen auch die Kleider von Königin Gorgo geschnitten, so dass man sich bisweilen fragt, woher sie wohl im alten Griechenland das Klebeband dafür hatte.
Die Kamera bleibt dagegen in „300“ im Vergleich mit der Nachbearbeitung deutlich hinter ihren Möglichkeiten zurück, wohl auch zugunsten einer comicnahen Darstellung. Dadurch werden viel zu oft sehr statische Einstellungen und Bilder gewählt, die einiges an Dynamik vermissen lassen. Dagegen werden nur vereinzelt einige wirklich coole Zeitlupeneffekte eingesetzt. Selbst der Abspann überzeugt unter dem Aspekt mehr. Was man zu den Bildern aber unbedingt erwähnen muss, ist dass sie es schaffen (wenn auch nur per Nachbearbeitung) einige wirkliche gewaltige und beeindruckende Panoramen auf die Leinwand zu zeichnen. Ebenfalls unbenommen von der Kritik an der etwas statischen Kamera bleiben die eigentlichen digitalen Effekte. Diese sind erwartungsgemäß großartig und streckenweise sogar atemberaubend. Sie lassen den Film erst so bildgewaltig werden, und halten sich dabei gleichzeitig sehr nahe an die Vorlage. Hier wird auch an den richtigen Stellen mit Bewegung gearbeitet. Möglicherweise kommt durch das zusätzliche digitale Blut etwas zuviel der roten Flüssigkeit in den Film, aber auch das hilft eigentlich der Atmosphäre. Vor allem passen sich mal wieder die Digitaleffekte perfekt in die wenigen realen Vordergrund-Sets ein. Und die Hintergrund-Panoramen tragen deutlich zum Gesamtbild bei, weil sie die Schönheit von Gemälden versprühen und nicht wie den typischen CGI-Look bieten. Wenn ein Film mit seinen Bildern so sehr klotzt wie „300“, dann darf natürlich auch die akustische Seite des Filmes nicht abfallen. Und auch hier wird man zumindest aus technischer Sicht nicht enttäuscht. Lange nicht mehr konnte man solch bombastischen Sound in Kino bestaunen. Oftmals sind die Soundeffekte sogar dermaßen klar und gut produziert, dass sie mitunter etwas aufgesetzt wirken könnten. Dadurch passen sie sich allerdings in gewisser Weise dem überbordenden Bildstil an. Musikalisch setzt man als Untermalung hauptsächlich einen metal-industrial-lastigen Soundtrack, der allerdings passend zur Minimal-Story keine großen Themen erkennen lässt. Die Musik kann als gelungen betrachtet werden, da man das Szenario als solches ernst genommen hat.
Wenn man den tieferen Sinn hinter „300“ sucht, wird man sich wie viele andere Kritiker schwer tun. Zunächst muss man sich bewusst halten, dass es sich trotz aller politisch möglichen Deutungsebenen um eine Comicverfilmung handelt, die nicht nur mit einfachen Bildern künstlerisch wirken soll, sondern auch auf der inhaltlichen Ebene fast vollständig in einem Fantasy-Universum agiert. Obendrein sagt einem schon die einfachste Storyzusammenfassung, dass der Film die Geschichte eines Märtyrers erzählt. Insofern darf man nicht die großen Werte bei „300“ erwarten bzw. als Zuschauer ansetzen. Ohne Frage ist die dargestellte Kultur (lange vor Mittelalter oder Aufklärung!) aus heutiger Sicht verwerflich und die Einstellungen der Protagonisten sind kaum als Vorbild zu betrachten. Auf der anderen Seite sollte man sich erinnern, dass diese dennoch die Anfänge des heutigen Europas darstellen und die Spartaner damals nicht nur den Griechen den Arsch gerettet haben, sondern auch die Ursprünge unserer eigenen Entwicklung. Sämtliche Bezüge zur aktuellen politischen Situation sind hingegen nahezu lächerlich. Der Film kann bei genauerer Betrachtung weder als Durchhaltekampagne der US-Truppen herhalten noch als Machwerk zur Beleidigung der Iraner, welche auch nicht so einfach mit Persern gleichgesetzt werden sollten. Das liegt vor allem daran, dass die Spartaner letztlich durch eigene Arroganz richtig einstecken müssen und weil die Perser zwar wilder aussehen als die Spartaner, letztlich die Helden des Films aber verdrehter im Kopf sind als die Perser. Zudem ist der eigentliche Stoff des Comics auch schon zu alt, um einen Bezug zu heute gelten zu lassen. Letztlich sind die zentralen Themen des Films lediglich, dass man sich manchmal für seine Überzeugung opfern muss um zu gewinnen, sowie dass man nicht jeder vermeintlich übermächtigen Gottheit Opportunismus zollen sollte. Diese werden allerdings zu einer gewaltigen Mär über die Tugenden der 300 Krieger vermixt.